Über Glauben und Religionen

Einmal lebte ein König. Er hatte sieben Söhne. Sie waren großherzig und bemühten sich stets, ihrem Vater auf verschiedene Art und Weise behilflich zu sein. Der Vater freute sich über seine Söhne.

Als die Söhne zu richtigen Männern wurden, rief der Vater sie zu sich und sprach:

–         Die ganze Erde gehört mir. Ich bin jedoch alt und daher nicht mehr  imstande, alles zu überwachen. Ich habe euch erzogen und alles gelehrt, was ich ja selber weiss. Nun ist die Zeit gekommen, dass ihr zeigt, wie ihr euch diese Kenntnisse angeeignet habt. Jeder von euch soll in die Richtung gehen, die ihm vom Herzen hingedeutet wird. Ihr sollt Menschen, die dort wohnen, in eure Obhut übernehmen. Lehrt sie an das Gute glauben, so wie ihr es könnt. Nachdem ein Jahr um ist, kehrt zu mir zurück, um alles zu erzählen.

Gesagt-getan. Königssöhne verzogen sich geschwind in unterschiedliche Orte auf eine gewisse Art und Weise, die ihnen bekannt war.

Nachdem ein Jahr vergangen war, versammelten sich sie wieder im Palast des Vaters. Sie sahen verändert aus, denn sie waren männlicher, reifer geworden. Ihre Augen strahlten ein besonderes Licht aus, das nur von Aufgewachten, die sich dann auch selbst daran machen, andere zu erwecken, ausgestrahlt werden kann.

Der älteste Sohn erzählte von einem Land, dessen Einwohner die Kraft für das höchste Prinzip hielten. Er lehrte sie also diese Kraft zu verstehen und geschick anzuwenden. Bald herrschte in diesem Land Ordnung.

Der zweite Sohn hielt sich im Land auf, dessen Einwohner traurig waren. Er lehrte sie Freude. Demnach waren die Menschen dieses Landes freundlicher und gutmütiger zueinander geworden.

Der dritte Königssohn geriet ins Land, wo Menschen keine Lehren anerkennen wollten. Er begann diesen Menschen von der Leere zu reden, die zugleich auch die Fülle ist, wovon das ganze irrdische Leben abhängt. So wurden die Menschen gezwungen, nachzudenken und nach dieser Leere zu streben.

Der vierte Sohn war bei Menschen, die dachten, dass sie die gerechtesten unter allen sind und dass alles nur noch von ihnen abhängt. Er hat ihnen vom Großen Willen gesprochen, ohne dessen weder sie selbst noch ihr Willen existieren könnte. Menschen haben es verstanden und fingen an, selber so zu reden und zu leben.

Der fünfte Sohn war im merkwürdigen Land, in dem sehr weise Menschen lebten. Er hat ihnen über Himmel, Sterne und grenzenlose Fernen sowohl im Raum als auch im Menschen erzählt. Sie haben ihn zu ihrem Führer ernannt.

Der sechste Sohn reiste zu Menschen, die klug und jeweils bestrebt waren, alles zu erklären. Sie erforschten Natur und Menschen und versuchten, die Ursachen deren Entstehung zu erkunden. Sie wollten schaffen, was vom Vater bereits erschaffen war. Der Königssohn hatte mit diesen Menschen viel zu tun, weil er ihnen alles beweisen musste, dazu noch Wunder vorführen sollte, die Erklärung dafür vorlegend.

Der siebte Sohn hielt sich im nahen Land auf. Da gab es viel Hass, Zorn und Eifersucht. Er hat dort über Liebe gesprochen. Menchen haben ihn nicht verstanden und verhöhnt. Aber es gab auch diejenigen, die zu seinen Anhängern wurden.

Der Vater hat Berichte der Söhne angehört und sprach:

– Meine Kinder, ihr habt gerade gesehen, dass dieselben Sachen, in denen ihr gelehrt worden seid, so dargeboten werden müssen, daß ihr Ansprechspartner fähig ist, es zu verstehen. Ihr habt richtige Art und Weise dafür gewählt. Ich bin stolz auf euch.

Die Zeit verrinnt aber und bald merkt ihr, dass in Ländern, wo ihr gewesen seid, einige Menschen, nachdem sie kurz bei euch verweilt und ihren Lehren zugehört hatten, anfangen, auf ihre eigene Weise diese Lehren als die einzigst richtigen zu verbreiten. So entstehen Dogmen. Wundert euch nicht, denn alle, deren Augen den Glanz eurer Augen nicht haben, verhalten sich so.

Ihr habt den Anfang gemacht, das heißt, ihr habt Samen gesät. Deshalb müsst ihr weiter aufpassen, wie sie keimen, wachsen und Früchte hervorbringen. Diese gereiften Früchte geben neue Samen, die ihrerseits wieder neue Samen reifen lassen. Dieser Prozess hat kein Ende. …

Genauso geht es mit meinen Lehren, die auf Boden eurer Herzen gefallen sind,  dann gekeimt und Früchte hervorgebracht haben. Ihr habt diese Früchte anderen Menschen weitergegeben, die ihrerseits dasselbe gemacht haben.

Kann man denn je behaupten, dass eine oder andere Frucht die beste sei, wenn sie alle aus demselben Samen geboren worden sind?

2008 04 17